Gastspiel Schauburg München − Erik*a
I'm something in between
Erika und Klaus Mann haben als Geschwister vor hundert Jahren vorgemacht wie man Gender Diversity auslebt. An der Schauburg München nutzen Theresa Seraphin und David Pfluger ihre Geschichte. Mit "Erik*a" ist ihnen ein kleiner Coup fürs Publikum ab 15+ gelungen.
Von Verena Großkreutz
4. Mai 2024. Die Künstlergeschwister und Dichterkinder Erika und Klaus Mann haben es vor hundert Jahren vorgemacht: Gender Diversity auszuleben, und zwar exzentrisch, künstlerisch, politisch. Das Münchner Kinder- und Jugendtheater Schauburg hat sich von ihnen inspirieren lassen und ein Stück entwickelt: "Erik*a" entstand in Kollektivarbeit mit der Münchner Schriftstellerin Theresa Seraphin. Eine "Multimedia-Revue", die tief eintauchen lässt in die Welt der Geschlechtervielfalt. Eine spannende, mitreißende Produktion, und eine sehr wichtige.
Am Ende der Revue treffen sich Erika und Klaus nach vielen Jahren zufällig in Paris wieder. Der Schauspieler Janosch Fries, vorher in der Rolle des Klaus, aber jetzt erstmals in deutlich männlich lesbarem Outfit zu sehen, ist Erika. Und die Schauspielerin Lucia Schierenbeck, die jetzt in deutlich weiblich lesbarer Kleidung steckt, ist Klaus. Das Spiel mit den Geschlechteridentitäten wird hier auf die Spitze getrieben: Körper und Kleidung sagen nichts mehr aus über das Innere und das Geschlecht. Alles ist möglich.
Spielerisches Cross-Dressing
Der Schauburg ist mit "Erik*a" (ab 15+) ein Coup zum Thema LGBTIQ* gelungen. Die Vielfalt der sexuellen und geschlechtlichen Identitäten und Orientierungen ist nach wie vor ein schwieriges, heikles Thema an vielen Schulen, davon können engagierte Lehrer:innen ein Lied singen. Outings von Schüler:innen sind aus Angst vor Mobbing immer noch extrem selten.
In "Erik*a" wird das Thema mit leichter Hand und sehr reflektiert angepackt: unterhaltsam, draufgängerisch, witzig, andererseits mündet die Show immer wieder in nachdenkliche und poetisch stille Phasen. Zwar geht die Post ab mit Glitter und Glamour, auf schwarz-weiß gekacheltem Ballroom-Boden. Andererseits ist der Rahmen intim und safe mit Platz für 50 Zuschauer:innen. Eine hybride Performance, die auch online buchbar ist.
Ins Revueformat lässt sich vieles einbauen: Videobotschaften, Liebesgedichte, Songs, Drag-Queen- und Drag-King-Auftritte. Janosch Fries trumpft auf mit einer spektakulären Lip-syncing-Nummer zum Soulröhrensong "You’re the best man I've ever known" – in High Heels, mit schwarzer Bobperücke, mit langen Klimperwimpern, exaltierter Körpersprache inklusive sportlichen Handstandüberschlägen vorwärts, rückwärts und über den Bauch abrollend. Und Lucia Schierenbock in Leder und mit Glitzerschnauzer liefert den Drag-King-Spiegel auf den Queen-Song "I want it all" − nicht ganz so exaltiert, aber breitbeinig und sich in den Schritt fassend.
Recht auf Selbstbestimmung
Das übliche geschwisterliche Heckmeck zwischen Klaus und Erika mündet immer wieder in vertrauliche Geständnisse, etwa die Entdeckung der Liebe zum eigenen Geschlecht. Erika performt ein Liebesgedicht, in dem offen bleibt, an wen es sich richtet. Und Klaus als Drag-Queen singt in Singer-Songwriter-Manier mit Gitarre: "I'm not a boy, I’m not a girl. I’m something in between and that’s so toll."
Ja, sie lieben es, in Rollen zu schlüpfen. Aber Klaus macht deutlich: "Dies ist keine Verkleidung, es ist ein Teil von mir." Spielerisches Cross-Dressing ist das eine, existenzielle Dringlichkeit das andere. Drei Kurzporträts mit Botschaften queerer Menschen, die per Video zugespielt werden, unterstreichen das: Der syrische und queere Drag-Tanz-Performer The Darvish stellt sich vor, so wie die junge Münchnerin King Tenu, die mit Leidenschaft männlich-heldische Bühnencharaktere performt, obwohl sie eigentlich gar nicht "machohaft" sei. Die Opern-Baritonistin Lucia Lucas, die auf der Bühne vor allem toxische Männlichkeit verkörpert, sich im Leben durch Geschlechtsangleichung aber von der Männerrolle verabschiedet hat, berührt mit der Geschichte ihres Coming-out: Sie setzte mit der Hormonbehandlung, die für die Geschlechtsangleichung nötig ist, ihre Stimme aufs Spiel.
Die Botschaft ist klar: Ob lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, intergeschlechtlich: "Kein Mensch dieser Welt hat das Recht, dich einzuschränken und dir vorzuschreiben, wie du zu leben hast." (King Tenu) Und: "Halte dich an Menschen, die dich unterstützen!" (Lucia Luca)
Eine Multimedia-Revue mit Texten von Theresa Seraphin
Inszenierung: Daniel Pfluger, Video und Onlineregie: Lukas März, Bühne: Flurin Borg Madsen, Kostüme: Karen Modrei, Dramaturgie: Anne Richter, Theaterpädagogik: Xenia Bühler.
Mit: Janosch Fries und Lucia Schierenbeck, im Video: King Tenu, Lucia Lucas und The Darvish.
Uraufführung am 19. Februar 2023
Dauer: 1 Stunde 15 Minuten, keine Pause
Empfohlen ab 15 Jahren
www.schauburg.net
Programm
Zwinger 1
Theater und Orchester Heidelberg
Blaupause
Regie: Hannah Frauenrath
Zwinger 3
Deutschsprachiger Autor:innenwettbewerb I
13:30 Uhr
Die ersten hundert Tage von Lars Werner
14:30 Uhr
Brennendes Haus von Anaïs Clerc
16:00 Uhr
2x241 Titel doppelt so gut wie Martin Kippenberger von Frankfurter Hauptschule
Zwinger 1
Gastspiel Lichthoftheater Hamburg
JUDEN JUDEN JUDEN
von und mit Hamburger Jüd*innen und Texten von Simoné Goldschmidt-Lechner
Regie: Ron Zimmering und Dror Aloni
Uraufführung
Marguerre-Saal
Gastspiel Düsseldorfer Schauspielhaus
My Private Jesus
von Lea Ruckpaul
nach einer Idee von Eike Weinreich
Regie: Bernadette Sonnenbichler
Uraufführung
Alter Saal
Stückemarktparty
präsentiert von Zwinger x
Rahmenprogramm
Eintritt frei
Zwinger 3 und online
Deutschsprachiger Autor:innenwettbewerb Teil II
13:30 Uhr
Ghostbike von Julie Gurgonis
14:30 Uhr
DRUCK! von Arad Dabiri
16:00 Uhr
Kind aus Seide von Leonie Ziem
Gastspiel Theaterhaus Jena
Die Hundekotatacke
von Walter Bart, Hannah Baumann, Pina Bergemann, Nikita Buldyrski, Henrike Commichau, Linde Dercon, Leon Pfanenmüller, Anna K. Seidel / Wunderbaum
Regie: Walter Bart
Uraufführung
Alter Saal
Gastspiel Schauspielhaus Wien
Die vielen Stimmen meines Bruders
Es Stück für an- und abwesende Körper
von Magdalena Schrefel mit Valentin Schuster
Regie: Marie Bues und Anouschka Trocker
Uraufführung
Zwinger 3
Gastspiel Theater Bielefeld
else (someone)
von Carina Sophie Eberle
Regie: Nadja Loschky
Zwinger 1
Theater und Orchester Heidelberg
Blaupause
Regie: Hannah Frauenrath
Alter Saal
Gastspiel Junges Schauspiel – Düsseldorfer Schauspielhaus
Time to Shine
Tanz und Theaterspektakel von Takao Baba + Ensemble
Inszenierung für schwerhörige und taube Menschen
Marguerre-Saal
Gastspiel Schauspiel Stuttgart
forecast:oedipus
von Thomas Köck
Regie: Stefan Pucher
Uraufführung
Zwinger 3
Gastspiel Expanded Theater | Hochschule der Künste, Bern
FRONTSTAGE
Männlichkeit zwischen Spiel und Krieg
von und mit Polina Solotowizki, Bogdan Kapon und Ivan Borisov
Regie: Polina Solotowizki
Uraufführung
Alter Saal
Gastspiel Flinn Works (Berlin) & Asedeva (Dar es Salam)
von Ultimate Safai
Regie: Ultimate Safari
Deutsch / Englisch / Kisuaheli
Uraufführung
Alter Saal
Gastspiel Flinn Works (Berlin) & Asedeva (Dar es Salam)
von Ultimate Safai
Regie: Ultimate Safari
Deutsch / Englisch / Kisuaheli
Uraufführung
Zwinger 1
Gastspiel Theater Konstanz
Tragödienbastard
von Ewe Benbenek
Regie: Emel Aydoğdu
Marguerre-Saal
Gastspiel Schauspiel Hannover
Fremd
von Michel Friedmann
Regie: Stefan Kimming
Uraufführung
Zwinger 3
Theater und Orchester Heidelberg
Das Märchen von der kleinen Meerjungfrau 10+
sehr frei nach Hans-Christian Andersen von Roland Schimmelpfennig
Regie: Marcel Kohler
Mülheimer Kinderstückepreis 2023
Alter Saal
Gastspiel Theater Lübeck
BOMB
von Maya Arad Yasur
Regie: Sapir Heller
Zwinger 3
Gastspiel Turbo Pascal, Berlin
Common Things
von Angela Löer, Eva Plischke und Frank Oberhäußer
Regie: Angela Löer, Eva Plischke und Frank Oberhäußer
Uraufführung
Zwinger 1
Gastspiel Schauburg München
Erik*a 15+
mit Texten von Theresa Seraphin
Regie: Daniel Pfluger und Lukas März
Alter Saal
Gastspiel Landestheater Linz
Fischer Fritz
Regie: David Bösch
Marguerre- Saal
Gastspiel Schaubühne Berlin
In Memory of Doris Bither
von Yana Thönnes
Regie: Yana Thönnes
Uraufführung
Alter Saal
Stückemarktparty
mit Musik aus dem Gastland Georgien
Eintritt frei
Sprechzimmer
Gastspiel Laboratory of Perfoming Arts, Tblissi
Zwilinge
von Giorgi Maisuradze
Regie: Giorgi Maisuradze
Gergisch mit deutschen Übertiteln
Zwinger 3
Eröffnung Gastland-Programm Georgien
Zwinger 3
Internationaler Autor:innenwettbewerb
13:30 Uhr Der weiße Hund von Davit Khorbaladze
14:30 Uhr Terzett von Marita Liparteliani
16:00 Uhr Wer klopft von Alex Chigvinadze
Dezernat #16
Gastspiel Open Space, Tblissi
Greenhouse
von Gvantsa Enukidze, Tamara Chumashvili und Masho Makshvili
Georgisch mit deutschen Untertiteln
Alter Saal
Gastspiel Royal District Theatre, Tblissi
Medea s01e06
von Paata Tsikola
Regie: Paata Tsikola
Georgisch mit deutschen Übertiteln
Sprechzimmer
Theater in Georgien
u.a mit Gastland Kurator Davit Gabunia
Podiumsgespräch
Eintritt frei
Dezernat #16
Gastspiel Open Space, Tblissi
Greenhouse
von Gvantsa Enukidze, Tamara Chumashvili, Masho Makshvili und Elene Matskhonashvili
Georgisch mit deutschen Untertiteln
Zwinger 1
Gastspiel Georgian Regional Theatre Networks
Niko Nikoladze - Sergo Parajanov
von Elene Matskhonashvili, Tengiz Khukhia und Levan Khetaguri
Regie: Elene Matskhonashvili
Georgisch nmit deutschen Übertriteln
Marguerre-Saal
Gastspiel Deutsches Schauspielhaus Hamburg
Antropolis II: Laios
von Roland Schimmelpfennig
Regie: Karin Beier
Uraufführung
Alter Saal
Preisverleihung
Eintritt frei
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