Surreale Gegenwelten

Drei Stücke traten im Gastlandprogramm im Wettbewerb um den internationalen Autor*innenpreis an. Am Ende gewann ein Kinderstück - das auch noch den Publikumspreis des Heidelberger Stückemarkts mit nach Hause nehmen kann!  Ein Bericht von Verena Großkreutz.

Freiheitshelden en miniature

Figurentheater hat in Georgien eine lange Volkstheater-Tradition. Hier werden auch politische Themen verhandelt. Beim Stückemarkt stellte die Figurentheatergruppe von Elene Matskhonahvili aus Tblissi nun zwei georgische Kämpfer für Freiheit, Demokratie und Gleichberechtigung vor. Mehr von Verena Großkreutz. 

Wege in eine andere Politik?

Der Gastland-Schwerpunkt Georgien wurde eröffnet. Weil in Georgien seit Tagen Massendemonstrationen gegen die prorussische Regierung stattfinden, läuft die Politik bei den Gastspielen als Bedeutungsspur immer mit. Hier: zwei Performances, die sich mit der Rolle der Frau in der georgischen Gesellschaft befassen: "Greenhouse" und "Zwillinge". Georg Kasch hat sie gesehen.

Medea, Prinzessin aus Georgien

5. Mai 2024. Kolchis, das Land aus dem Medea stammt, liegt an der Schwarzmeerküste und heute auf georgischem Gebiet. Diese Zugehörigkeit zur Welt der Antike, auf der das europäische Selbstbewußtsein gründet, macht Medea auch zur Identifikationsfigur für gegenwärtige politische Debatten in Georgien. Am Royal District Theatre in Tblissi hat der Autor und Regisseur Paata Tsikolia eine ganz eigene Sicht auf Medea entwickelt. Mehr von Verena Großkreutz.

Theater der Synthesen

Tblissi im Februar 2024. Das Theater in Geogien vereint Enflüsse verschiedenster Kulturen, was sich der besonderen Lage des Landes zwischen Europa und Asien verdankt. Im 20. Jahrhundert war es stark vom Ringen um kulturelle Eigenständigkeit in der Sowjetunion geprägt. Dies Ringen setzte sich auch nach der Unabhängigkeit 1991 fort, auch wenn das Theater zunehmend nach Europa blickt.

Von Lela Ochiauri  

Schönheit der Zungenbrecher

Raphaela Bardutzkys "Fischer Fritz" konkurrierte 2021 um den Autor:innenpreis des Stückemarkts. Seitdem wurde das Stück über den pflegebedürftigen Fritz und seine polnische Pflegerin Piotra mehrmals nachgespielt. Georg Kasch über David Böschs Inszenierung vom Landestheater, der genau auf diese Figuren, ihre Sprache schaut und jetzt im Nachspiel-Wettbewerb gastierte. Und gewann.

Der Geruch des Krieges

3. Mai 2024. Was kann die Kunst, was das Leben nicht hinkriegt, besonders bei der Bewältigung von Kriegstraumata? Dieser Frage geht anhand von drei Biografien die israelische Dramatikerin Maya Arad Yasur nach. Sapir Hellers Inszenierung tritt in Heidelberg im Wettbewerb um den Nachspielpreis an. Mehr von Verena Großkreutz.

Die Wut in mir

2. Mai 2024. Während die Eltern an ihrer Sprachlosigkeit litten, wird der Tochter in Ewe Benbeneks "Tragödienbastard" die Sprache zur Waffe. Emel Aydoğdu hat am Theater Konstanz in seiner für den Nachspielpreis nominierten Inszenierung den Bericht einer (weiblichen) Selbstermächtigung als hochtouriges Frontaltheater inszeniert, wie Verena Großkreutz berichtet. Es gilt: "Raus aus dem Narrativ" der Opferrolle.

Menschen beobachten

März 2024. Raphaela Bardutzkys "Fischer Fritz" war 2021 für den Preis des Heidelberger Stückemarkts nominiert, später inszenierte Enrico Lübbe am Schauspiel Leipzig eine vielbeachtete Uraufführung des "Sprechtheaters". David Bösch wählt am Landestheater Linz einen ganz anderen Ansatz – und ist mit seiner Inszenierung dieses Jahr für den Nachspielpreis in Heidelberg nominiert.

Die Wut hinter dem scheiß Narrativ

März 2024. Eine junge Frau zwischen zwei Orten, zwei Ländern, zwei Welten. In "Tragödienbastard" verhandelt Ewe Benbenek den Kampf um Selbstbestimmung auf kulturell fluidem Terrain. 2021 gewann die Autorin den Mülheimer Dramatikpreis. Nun ist die Inszenierung von Emel Aydoğdu am Theater Konstanz für den Nachspielpreis des Heidelberger Stückemarktes nominiert.

Zirkus aus Schmerz

März 2024. "Bomb" der israelischen Autorin Maya Arad Yasur berichtet von Menschen im Krieg. Ist das Stück nach dem 7. Oktober 2023 dringlicher geworden? "Es ist immer aktuell", sagt Sapir Heller. "Leider." Im Interview berichtet die Regisseurin, deren Inszenierung für den Nachspielpreis nominiert ist, wie sie als Künstlerin Kriegstraumata bearbeitet.

I'm something in between

Erika und Klaus Mann haben als Geschwister vor hundert Jahren vorgemacht wie man Gender Diversity auslebt. An der Schauburg München nutzen Theresa Seraphin und David Pfluger ihre Geschichte. Mit "Erik*a" ist ihnen ein kleiner Coup fürs Publikum ab 15+ gelungen.

Tragödie, Märchen oder Traum?

2. Mai 2024. In seiner Adaption des berühmten Märchens von Hans Christian Andersen hat Roland Schimmelpfennig die Verhältnisse umgekehrt: Statt ein Leben auf dem Land bei den Menschen, wünschen sich nun drei Freund:innen in eine Unterwasserwelt. Marcel Kohlers Inszenierung für das Junge Theater Heidelberg gewann 2023 den renommierten Mülheimer Kinder-Stücke-Preis. Verena Großkreutz über das Heimspiel beim Stückemarkt.

Zeit zu glänzen?

1. Mai 2024. In einer Gameshow treten acht Kandidat:innen gegeneinander an. Wer wird gewinnen? Diese Frage ist in "Time to Shine" von Takao Baba und dem Ensemble gar nicht entscheidend. Denn der Wettbewerb ist unterwandert… Elena Philipp war dem Verwirrspiel auf der Spur.

Else dreht den Spieß um

30. April 2024. Mit Carina Sophie Eberles "else (someone)" konkurriert eine besondere Klassiker-Bearbeitung um den Jugendstückepreis. Eberle hat den Kern von Arthur Schnitzlers "Fräulein Else" um eine jugendliche Welt erweitert, in der Loyalitätskonflikte und Hilflosigkeit durchbrechen, sich die Heranwachsende Else jedoch zu wehren lernt. Mehr von Georg Kasch.

Hier kann ich alles sein

März 2024. Selbstbewusst zu sich selbst stehen: Wer jung ist, bekommt es dabei, sogar in liberalen Gesellschaften, mit Widerständen, gar Gewalt zu tun. Coming Out, #MeToo, Tod – die Auswahl zum diesjährigen Jugendstückepreis verhandelt schwere Themen. Elena Philipp beschreibt, warum darin echtes Mutmachtpotenzial steckt.

Dämon, Dibbuk, Dschinn

Roland Schimmelpfennig hat für Karin Beier und das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg mit der Serie ANTHROPOLIS I-IV antike Mythen überschrieben. In Teil II "Laios" über den Vater des Ödipus schöpfte er sehr frei aus den antiken Quellen. Außerdem am Start: Lina Beckmann als kongeniale Interpretin des Texts. Mehr von Georg Kasch.

Im Horrorhaus der Kindheit

Die reale Doris Bither gab es wirklich. Ihre Geschichte gehört zu den bekanntesten Poltergeist-Fällen. Regisseurin Yana Thönnes erschafft für ihre Rekonstruktion einen ganz eigenen Erzählraum und ein ganz eigenes Kunstwerk. "In Memory of Doris Bither" war nach der Premiere an der Schaubühne Berlin in aller Munde. Mehr über das Gastspiel beim Stückemarkt.

Geschichte(n) der Dinge

Das Kollektiv Turbo Pascal wurde berühmt mit einer Mischung aus Recherche-Theater und Autofiktion. Jetzt hat es sich mit den Dingen befasst, mit denen wir leben. Und die manchmal auch Ballast sind. Mehr von Georg Kasch.

Der eingebrannte Schmerz

2. Mai 2024. Keine "richtigen" Papiere, keine "richtige" Sprache? Michel Friedman schildert in "Fremd" das Schicksal eines im Land der Täter:innen aufwachsenden Kindes, welches nicht nur mit seinen Gefühlen, sondern auch mit den durch die Shoah traumatisierten Eltern ringt. Stephan Kimmig arbeitet am Schauspiel Hannover das Universelle migrantischer Erfahrungen heraus. Georg Kasch hat das Gastpiel gesehen.

Land, Mensch, Tier

2. Mai 2024. In der Welt des Tierfilmers Bernhard Grzimek war der Serengeti Nationalpark ein Reich der Tiere. Dass hier auch Menschen wie die Massai leben, deren Lebensraum zunehmend von Safari-Tourist:innen eingeschränkt wird, kam in diesem "Afrika-Bild" nicht vor. Flinn Works und Asedeva machen sich in "Ultimate Safari" auf die Suche nach der komplexen Gemengelage postkolonialer Konflikte. Georg Kasch war bei diesem immersiven Abend dabei.

Wir sind die Krankheit

1. Mai 2024. Eine zubetonierte Welt, in der sauberes Trinkwasser zum unerschwinglichen Luxus wird? Tja, selbst schuld, findet Thomas Köck, der uns in seiner Fusion des Ödipus-Mythos mit der Klimakatastrophe die menschliche Hybris vor Augen führt. Stefan Pucher hat die Uraufführung von "forecast:ödipus" inszeniert – als packenden Enthüllungskrimi, wie Georg Kasch berichtet.

Mühelos ins Leichte

Die Schriftstellerin Magdalena Schrefel hat die Geschichte ihres Bruders aufgeschrieben. Aufgrund einer seltenen Krankheit braucht er seit seiner Geburt einen Rollstuhl. Bald wird er nun seine Stimme verlieren. So werden neue Stimmen gebraucht: Elena Philipp über das behutsame Kammerspiel, von Marie Bues und Anouschka Trocker 2023 am Kosmos Theater Wien uraufgeführt und nun in Heidelberg zu Gast.

Lachen, Staunen, Wunden lecken

Ein bekannter Choreograf, der einer prominenten deutschen Tanzkritikerin den Kot seines inkontinenten Dackels ins Gesicht schmiert, angeblich aus Frust über schlechte Kritiken: dieser Skandal liegt dem gefeierten Theaterabend von Wunderbaum zu Grunde. Georg Kasch über eine Inszenierung, die vor ihrer Weiterreise zum Berliner Theatertreffen zunächst beim Heidelberger Stückemarkt zu sehen ist.

"Verschwendung ist immer geil!"

Lea Ruckpaul hat ein böse funkelndes wie witziges Stück über eine junge Frau geschrieben, die sich das Leben nehmen will, und zuvor die Wünsche ihrer Liebsten zu erfüllen verspricht. Bernadette Sonnenbichler hat die Uraufführung inszeniert. Georg Kasch war dabei.

Geschlossene Gesellschaft

Neun Personen unterhalten sich über ihr Leben und ihre Hoffnungen. Ganz normale Gespräche? Lamin Leroy Gibba hat mit "Doppeltreppe zum Wald“ eine Schwarze Konversationskomödie über Erfahrungen von Rassismus betroffener Menschen geschrieben: bitterböse und zugleich empowernd. Und gewann beim Stückemarkt 2023 des SWR2-Hörspielpreis. Elena Philipp hörte die Ursendung.

Wir sind echt

Was bedeutet Jüdischsein? Szenisch ist die Antwort der Bürger*innenbühne des Lichthof Theaters, die in ihrer Erzähl-Revue "Juden, Juden, Juden" selbstironisch mit Klischees spielt. Elena Philpp berichtet.

Zwischen den Fronten

29. Februar 2024. Das Wort "Positionierung" hat im Zuge weltpolitischer Krisen derzeit Konjunktur. Ist der klassische Ansatz des theatralen Schreibens, Konflikte auf der Bühne zu verhandeln, damit selbst in die Krise geraten? "Mein Platz, wenn mein Drama noch stattfinden würde, wäre auf beiden Seiten der Front, zwischen den Fronten, darüber", heißt es in Heiner Müllers "Hamletmaschine". Wir haben vier Dramatiker:innen zu diesem Zitat befragt.

Die Gegenwärtigkeit des Traumas

Februar 2024. Ukraine-Krieg, Nahost-Konflikt – die geopolitische Lage ist derart in Bewegung, dass eine Dramatik, die Zeitgenossenschaft beansprucht, kaum noch hinterher zu kommen scheint. Verarbeiten Dramatiker:innen deshalb wieder verstärkt antike Dramen? Wir sprachen mit John von Düffel, Professor für Szenisches Schreiben, über den Druck der Tagesaktualität und das aufklärerische Potenzial einer verlangsamten Zeit.

Good bye, Netzmarkt

Die Sektion Netzmarkt, 2021 in der Pandemie dem Heidelberger Stückemarkt hinzugefügt, wird 2024 nicht fortgesetzt. Digitale Theaterformate sollen künftig nicht mehr getrennt vom restlichen Festivalprogramm gezeigt werden. Für Digitaldramaturgen Ilja Mirsky Anlass für eine Bestandsaufnahme des Komplexes Theater & Digitalität im Jahr 2 nach dem Ende der Pandemie.